DGB spricht bei Kundgebung am 7.9.2025 in Friedland

Danke euch Friedländer*innen, dass ihr Zusammensteht.
Danke dass ich als Gewerkschafterin meine Gedanken, meine Anteilnahme, meine Hoffnung mit euch teilen kann. Eine Mutter, ein Vater, zwei Brüder - eine Familie verliert ihr geliebtes Kind. Es gibt nichts, was es entschuldigen, besser machen, verschmerzen lassen kann.
Meine Vorstellung reicht kaum aus, wie es schmerzt, auf diese tragische Weise ein Kind zu verlieren: Liana war zur falschen Zeit am falschen Ort, an den Gleisen des Bahnhofs Friedland. Meine Vorstellung reicht kaum aus, aber ich weiß dass da, wo unsagbares Leid ist, wo Trauma ist, wo Trauer und Wut sind, da hilft es Schultern zum Teilen zu haben. Es hilft, wenn Anteilnahme gezeigt wird, wenn Hilfe angeboten, wenn besonnene Stimmen zu hören sind. Mitgefühl zu teilen, hilft uns Menschen, das ist menschlich, das ist solidarisch. Nichts ist schlimmer als Schweigen, als Wegschauen.
Schlimm sind aber auch Kommentarspalten, die die Zusammenhänge verdrehen, oder gar politische Instrumentalisierung. Das ist respektlos gegenüber den betroffenen Menschen. Auf ihre Kosten bereichern sich gerade bekannte rechte Demagogen, ja Nazis – wenn sie politisches Kapital daraus ziehen wollen. An diese gerichtet sag ich: Ihr heuchelt Anteilnahme vor, aber nicht um Lianas willen. Ihr säht Hass in die Wunden; ihr wollt spalten, wo Menschen aus aller Welt seit Jahrzehnten ihre ersten Schritte in diesem Land machen. Viele von ihnen sind durch die Hölle gegangen, bevor sie hier in Friedland ankamen. Manche von ihnen haben dabei den menschlichen Kompass verloren, sind dabei psychisch schwer erkrankt. Glaubt mir, als Gewerkschafterin will ich eine Geschichte mit euch teilen, die auch unsere Koordinaten des Selbstverständlichen verschoben hat.
Es ist gerade wenige Monate her, da verloren wir Gewerkschafter*innen während einer ver.di Kundgebung eine Kollegin und ihre kleine Tochter. Das war im Februar in München. Da raste ein Mann vorsätzlich mit einem Auto in unsere Kundgebung. Es veränderte unsere Vorstellungskraft vom Schlimmstmöglichen bei unseren gewerkschaftlichen Versammlungen. Die Trauer und Anteilnahme war groß: jedoch habt ihr von gewerkschaftlicher Seite keine hasserfüllte Forderung gehört, niemand machte den mutmaßlich islamistisch motivierten Attentäter ausreisepflichtig. Vor wenigen Tagen begann nun sein ordentlicher Prozess. Er wird dafür verurteilt werden, er wird gestraft werden, wie es in einer Demokratie und einem Rechtssystem angemessen ist. Das ist viel Wert, das sollten wir nicht aufgeben, liebe Bürger*innen, liebe Kolleg*innen!
Dennoch fragen sich viele Menschen in diesem Land, in München und jetzt auch in Geisleben, Friedland, Göttingen: kann frau unvorhergesehen und jederzeit einer unkalkulierbaren Brutalität ausgesetzt sein? Diese Sorge sollen wir nicht klein reden oder verschweigen.
Auch wenn die Motive und Hintergründe vermutlich völlig unterschiedlich sind, so möchte ich Parallelen ziehen zwischen München, Friedland und vermutlich jeder anderen Stadt in diesem Land.
Ich muss euch und Ihnen an dieser Stelle meiner Analyse eine kleine Triggerwarnung vorwegschicken: Mir fällt auf: dass dieses Leid in beiden Fällen Frauen, Mädchen, Kinder trifft. Worauf will ich hinaus?: in dieser Welt sind es vorwiegend Männer, die zuschlagen, im Auto in eine Menge rasen, die Partner*innen umbringen, bevor sie sich selbst richten, oder aber ihre psychische Krankheit nicht behandeln (lassen können) und andere in den Abgrund stoßen.
Wenn ihr also nach Schuldigen sucht, wenn ihr glaubt eine Abschiebung aller potenziellen Täter, würde das Problem lösen, da sage ich: das wird nicht die Lösung sein. Die männlichen Täter mögen unterschiedliche Motivationen haben, unterschiedlich nah in Beziehung zu den Opfern stehen, und unterschiedliche Pässe und Staatsangehörigkeiten besitzen: das Problem bleibt aber die Gewaltbereitschaft von Männern gegenüber Frauen und Mädchen.
Fordert aber irgendjemand hier, dass alle Männer das Land verlassen, um Sicherheit für Frauen und LGBTIQ zu schaffen? Was für ein Irrsinn. Und damit ich hier nicht missverstanden werde: nein, es können aus guten und menschenrechtlichen Gründen auch nicht nur Männer muslimischen Glaubens jetzt im Fadenkreuz stehen. Das Problem ist und bleibt männliche Gewalt, nicht ihr Pass. Und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, es zu ändern.
Liana starb, weil ein mutmaßlich geflüchteter, psychisch kranker Mann seine Aggression nicht überwand. Es ist so tragisch: und es sind so viele Frauen und Mädchen mehr, um die wir trauern. Jeden Tag eine – alleine in partnerschaftlichen Beziehungen.
Mir ist es wichtig diese Beobachtung breit mit euch und ihnen zu teilen: damit es aufhört mit den Hass auf bestimmte Gruppen;
Und damit diejenigen unter euch, die nicht in den Kanon der Feindseligkeit einstimmen, sondern Solidarität und Mitgefühl zeigen, und gerechte Strafverfahren fordern, nicht weiter dafür mit dem Tod bedroht werden.
Wie Bürgermeister Friedlands Andreas Friedrichs. Ihr könnt stolz auf euren Bürgermeister sein, liebe Friedländer*innen. Stellen wir uns gemeinsam schützend auch hinter ihn, lassen wir keinen zweiten rechten Mord an einem Politiker zu, wie an Walter Lübcke 2019 in Wolfhagen. Auch er hatte dem Hass gegenüber Geflüchteten öffentlich widersprochen. Und wurde dafür von zwei Neonazis ermordet. Wenn Rechte Drohungen aussprechen, nehmt es ernst, distanziert euch von ihnen. Es dürfen aus Worten keine Taten werden. Bürgermeister Friedrichs, wir stehen hinter ihnen!
Deswegen rufe ich euch als Gewerkschafterin zu: Stoppt den Hass, schützt unsere demokratischen Grundfesten, lasst uns gemeinsam der Gewaltbereitschaft von Männern gegenüber Frauen eine Kultur des Respekts wachsen. Demokratie und Respekt schützen uns, nicht Ausgrenzung und Rassismus.
Agnieszka Zimowska
Geschäftsführung DGB Region Südniedersachsen Harz
Deutscher Gewerkschaftsbund Weender
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